Das Geheimnis des Schulenbergtunnels

Cover des Buches Das Geheimnis des Schulenbergtunnels
Cover des Buches Das Geheimnis des Schulenbergtunnels
Juli 2016
184
978-3741241543

 

Adrian ist sofort Feuer und Flamme, als sein Großvater ihm von einem Schatz im Schulenbergtunnel erzählt. Zusammen mit seinem besten Freund Moritz macht er sich auf die Suche, und tatsächlich finden sie in der Nähe des Tunnels einen versteckten Stollen. Doch noch jemand scheint hinter den Juwelen und wertvollen Münzen her zu sein, und als Adrian und Moritz merken, dass sie nicht allein sind, da sind sie fast schon aus dem Rennen. Eine aufregende Jagd quer durch Hattingen beginnt...

Ebook €2,99
Taschenbuch €6,90

 

Autorenplauderei: Recherche vor Ort

Die Idee für dieses Buch stammt schon aus dem letzten Jahr, und im Zuge der Entwicklung der Story habe ich den Schulenbergtunnel das eine oder andere Mal besucht, um mir bestimmte Details anzusehen und dabei weitere Story-Elemente auszuarbeiten. Dabei sind einige Fotos entstanden, die ich euch nicht vorenthalten möchte.

Weg zum Schulenbergtunnel

Das ist der Radweg, der von der Grünstraße aus zum Tunnel führt. Diesen Weg nehmen Adrian und Moritz, um zum Tunnel zu gelangen.

 

Stadtseitiger Tunneleingang

Der Zugang zum Tunnel auf der Seite zur Innenstadt hin.

 

zugemauerte Nischen

Zugemauerte Nische im Tunnel. Den genauen Zweck, den diese Nischen hatten, konnte ich nicht klären. Sie reihen sich auf beiden Seiten mit relativ geringem Abstand und dürften vor der Angleichung des Tunnelbodens mannshoch gewesen sein. Auch Adrian und Moritz diskutieren darüber, ohne zu einem echten Ergebnis zu kommen. Dass es sich um Ausweichstellen für Arbeiter wie zum Beispiel Streckengeher handelt, ist zumindest vorstellbar.

 

stadtauswärtiger Tunneleingang

Der Eingang des Tunnels, wenn man den Radweg von Sprockhövel aus kommt.

 

Detail vom Stadtauswärtigen Tunneleingang

Dieses Foto zeigt, warum Adrian und Moritz nicht einfach am Tunnelausgang den Berg hochklettern können, um im Wald weiterzusuchen. Die Felswände sind steil und dicht bewachsen.

 

Es war viel zu warm für die erste Maihälfte, brüllend heiß schon seit mehr als einer Woche, so dass die Stadtverwaltung die Eröffnung der Freibadsaison hastig vorgezogen hatte. Eigentlich hätte es erst im Juni losgehen sollen, aber mehrere Tage mit über dreißig Grad in Folge waren ein Argument, dem sich die Stadtoberen nicht verschließen konnten. Die Bürger dankten es ihnen, denn Schwimmer- und Nichtschwimmerbecken, Babybecken und Liegewiese waren gesteckt voll, an Rutschen und Sprungturm bildeten sich lange Schlangen, und die Leute vom Kiosk kamen mit dem Eisverkauf kaum hinterher.

 

Die beiden Jungen, die auf dem hinteren Teil der Wiese eine Frisbee-Scheibe fliegen ließen, hätten nach Schulschluss gleich vom Klassenzimmer aus ins Wasser hechten können, denn ihre Schule lag direkt nebenan. Die Versuchung war groß gewesen, bestimmt nicht nur bei den Schülern, aber für Hitzefrei hatte es dann doch um eine Winzigkeit nicht gereicht.

 

Adrian und Moritz kannten sich seit dem Kindergarten, und genauso lange waren sie auch schon beste Freunde. Sie wohnten nicht weit voneinander entfernt, waren im Kindergarten in der gleichen Spiel­gruppe gewesen, dann in der gleichen Grundschulklasse, und nun auch gemeinsam in der sechsten Klasse der Gesamtschule in Welper.

 

Moritz war der Sportlichere von beiden. Er spielte Fußball in der D-Jugend des hiesigen Vereins, war ein guter Schwimmer und ein erfahrener Bergwanderer. Jedes Jahr fuhr er in den Sommerferien mit seinen Eltern und seiner jüngeren Schwester nach Tirol und machte dort durchaus anspruchsvolle Touren. Richtig an Steilwänden geklettert war er zwar noch nicht, aber er war ausdauernd, trittsicher und schwindelfrei, und schmale, holprige Pfade, die direkt am Abgrund entlang führten, waren für ihn kein Hindernis. Besonders gern zog er nur mit seinem Vater los, denn dann konnten sie schwierigere Touren machen als wenn seine Schwester dabei war. Mareike war für ihre acht Jahre zwar auch behände und ausdauernd, aber ganz so viel wie Moritz wollten die Eltern ihr doch noch nicht zumuten.

 

Adrian schwamm ebenfalls gerne und ging mit, wenn Moritz und ein paar andere Jungen sich auf dem Bolzplatz trafen, war alles in allem aber nicht so sportbegeistert wie sein bester Freund. Dafür las er gerne und viel und hatte sich selbst das Entwickeln von Computerprogrammen beigebracht. Das Quiz, das er programmiert hatte, hatten etliche Klassenkameraden auf dem Rechner, und aktuell bastetelte er an einem Kartenspiel.

 

In dieser Woche, wo die Hitze fast unerträglich war, hatte er jeden Nachmittag im Freibad verbracht. Moritz dagegen hatte zweimal aussetzen müssen wegen seines Fußballtrainings. Da hatte sich selbst seine Begeisterung in Grenzen gehalten, und er war froh gewesen, wenn er endlich unter der Dusche gestanden hatte, obwohl der Trainer mehrere Trinkpausen angeordnet und auf besonders laufintensive Übungen verzichtet hatte.

 

Als Moritz aus der Schule gekommen war, hatte das Thermometer zu Hause vierunddreißig Grad angezeigt, und die kleine Wetterstation hing neben der Terrassentür an der Westseite des Hauses, hatte also bis zum frühen Nachmittag keine direkte Sonne abbekommen. Kein Wunder also, dass Adrian und Moritz kaum aus dem Wasser draußen schon wieder schwitzten. Sie verausgabten sich nicht einmal besonders, ließen den Frisbee eher gemächlich fliegen, aber bei solchen Temparaturen war eigentlich jede Bewegung fast schon zu viel.

 

Näher zu den Becken hin war die Liegewiese so voll, dass man kaum noch einen Flecken Grün sah und an manchen Stellen gezwungen war, auf fremde Handtücher zu treten, weil es überhaupt keine Lücken dazwischen gab. Weiter hinten, wo Adrian und Moritz unterwegs waren, war es nicht ganz so schlimm, und eine Handvoll Neuankömmlinge hätte noch Platz gefunden. Die beiden Jungen liefen zwischen den anderen Badegästen, die sich sonnten, lasen oder redeten, hin und her und warfen die Frisbee-Scheibe von Zeit zu Zeit auch über die Leute hinweg, die ausgestreckt auf ihren Badetüchern lagen. Die meisten waren Kinder und Jugendliche, die das nicht weiter störte, und natürlich achteten Adrian und Moritz darauf, tunlichst niemandem die Frisur zu lichten.

 

Das ging so lange gut, bis Adrian unerwartet abgelenkt wurde. Ihm war klar, dass die Schimpfkanonade aus Richtung der großen Wasserrutschte nicht ihm galt, sondern den beiden Jungs, die nicht genug Abstand gehalten hatten und einem vielleicht siebenjährigen Mädchen in den Rücken gerutscht waren, aber ganz kurz wandte er doch den Kopf, und dabei geriet ihm der Wurf viel zu hoch. Moritz musste rasch drei Schritte nach hinten machen, um den Frisbee fangen zu können, vergaß dabei aber, sich umzusehen, ob der Weg in diese Richtung auch frei war. Prompt geriet er auf ein fremdes Handtuch.

 

 „Pass doch auf, wo du hintrampelst!“ maulte dessen Besitzerin, der er fast auf die Ohren getreten hätte. „Ich bin doch kein Fußabtreter!“ „So’n frechen Fußabtreter würde ich mir auch nicht vor die Tür legen.“ gab Moritz trocken zurück. Bei ihr konnte er sich das erlauben, denn Emma wohnte direkt neben ihm, und sie waren als Babys gemeinsam durch den Garten gekrabbelt. Die enge Freundschaft hatte bis heute Bestand, auch wenn Moritz sich natürlich mehr mit seiner Jungs-Clique traf und Emma sich mit ihren Mädchen. Freundschaftliche Kabbeleien gehörten dazu, und es stand nicht zu befürchten, dass es am Abend zum Shootout am Gartenzaun kommen würde.

 

Emma sprang auf und schnappte sich im Handstreich die Frisbee-Scheibe. Noch ehe Moritz reagieren konnte, hatte sie drei oder vier Schritte Vorsprung und rannte zwischen den Sonnenanbetern hindurch in Richtung der Schwimmbecken. Natürlich nahm Moritz sofort die Verfolgung auf, aber Emma war verflixt noch mal nicht langsam. Sie war ein paar Zentimeter größer als er, hatte kupferrotes Haar, das in der Sonne glänzte, und meergrüne Augen. Sie umkurvte Handtücher und Decken, streifte einen Busch, so dass Moritz rasch den Arm hochriss, um die zurückschnellenden Zweige von seinem Gesicht wegzuhalten, und steuerte zielstrebig das Babybecken an. Ihr Plan war, die Frisbee-Scheibe ins seichte Wasser zu werfen, und sie hoffte, dass ihre Freundin Mabelle gedankenschnell genug war, um ihr Handy rauszuholen und Moritz abzulichten, während er zwischen lauter Null- bis Dreijährigen herumtappte. Nicht dass sie Moritz je bloßgestellt hätte, aber unter acht Augen – sie, Moritz, Adrian und Mabelle – hätten sie sich später sicherlich noch das eine oder andere Mal gemeinsam über die Szene amüsiert.

 

Kurz vor dem Ziel änderte Emma ihre Pläne, denn das ohnehin nicht sehr große Babybecken war hoffnungslos überfüllt. Wohin hätte sie den Frisbee werfen sollen, ohne einen der Zwerge abzutreffen, die da fröhlich im Wasser plantschten? Also legte sie eine scharfe Kurve hin, hin zum Nichtschwimmerbecken, und ließ dort im Vorbeilaufen den Frisbee ins Wasser fallen. Sie hielt nicht an, sah aber aus den Augenwinkeln, wie Moritz bremste und sich dann an den Beckenrand kniete, um nach der Frisbee-Scheibe zu angeln. Offensichtlich wollte er nicht extra ins Wasser hechten, um sie zu holen, und musste sich ziemlich strecken, weil zwischen Wasserspiegel und Beckenkante doch reichlich dreißig Zentimeter lagen. Zwei kleine Jungen, die in der Nähe herumpaddelten, machten außerdem Wellen, die den Frisbee von Moritz wegtrieben, und fast wäre Moritz vornübergefallen, als er nachfassen wollte.

 

Das brachte Emma auf eine Idee, und als sie sicher sein konnte, dass Moritz sie nicht mehr beachtete, glitt sie ins Wasser. Ein paar Meter bewegte sie sich schwimmend auf Moritz zu, dann holte sie Luft und tauchte. Moritz hatte nur Augen für den widerspenstigen Frisbee, und dicht an der gekrümmten Wand des nierenförmigen Beckens, gerade so, dass sie nicht mit Hand und Fuß anstieß beim Schwimmen, war Emma für ihn auch lange im toten Winkel. Als sie direkt vor ihm auftauchte, war es für ihn viel zu spät, um das Unheil noch abzuwenden, und wahrscheinlich hatte er Emma noch nicht mal erkannt, als er schon im Wasser lag. Emma hatte einfach mit beiden Händen nach seinem Arm gegriffen, der dazu geradezu einlud, und sich mit den Füßen von der Wand des Beckens abgestoßen.

 

Sie konnte nicht verhindern, dass Moritz halb auf ihr landete, aber das tat keinem von beiden weh. Moritz nahm ihr den heimtückischen Angriff auch nicht übel, rächte sich aber, indem er sie döppte. Dass er sie losließ, ehe ihr die Luft knapp werden konnte, verstand sich von selbst, und als sie anschließend davonschwamm, machte er keine Anstalten, ihr zu folgen.

 

Tropfnass kehrten beide wenig später gemeinsam zu ihren Freunden zurück, die sich die wilde Jagd angesehen hatten, sich aber nicht dazu hatten aufraffen können, sich einzumischen. Adrian behielt die Uhr im Auge, denn für ihn wurde es bereits Zeit, nach Hause zu gehen. Es war noch nicht besonders spät, gerade mal viertel vor sechs, und normalerweise durfte er länger draußen bleiben, aber heute bestand seine Mutter darauf, dass er frühzeitig zu Hause war. Seine Großmutter, die in Hamburg lebte, würde am nächsten Tag ihren fünfundsiebzigsten Geburtstag feiern, und um rechtzeitig dort zu sein, würden sie schon früh losfahren müssen. Um am Morgen keine Zeit zu verlieren, sollte Adrian deshalb gleich noch seine Tasche packen. Er würde mit seiner Mutter einmal in Hamburg übernachten und erst am Sonntag zurückkommen, denn seine Mutter wollte die lange Strecke nicht zweimal an einem Tag abreißen. Die Feier würde bestimmt bis spät am Abend dauern, und es gab niemanden, der Adrians Mutter am Steuer hätte ablösen können. Adrians Eltern hatten sich schon lange getrennt, der Vater lebte mit seiner neuen Freundin und Adrians Halbschwestern, fünfjährigen Zwillingen, in der Nähe von Aachen.

 

Adrian schwelgte nicht gerade in Vorfreude, denn er befürchtete, dass es in Hamburg ziemlich langweilig werden würde. Seine Mutter war einige Jahre älter als ihre beiden Geschwister, und deshalb waren auch seine Cousins und Cousinen alle mindestens vier oder fünf Jahre jünger als er. Zur Sicherheit hatte er ein gutes Buch eingepackt, und er hoffte, dass niemand von ihm erwartete, sich um die Jüngeren zu kümmern.

 

***

 

Am Sonntagnachmittag stand Adrian unangemeldet bei Moritz auf der Matte, und sein Gesicht glühte vor Aufregung. Sie hatten sich nicht verabredet, weil nicht genau abzusehen gewesen war, wann Adrian aus Hamburg zurück sein würde, aber Adrian hatte tolle Neuigkeiten mitgebracht, wirklich der absolute Ober-Hammer, das konnte auf keinen Fall warten bis zum nächsten Tag. Nur mit Mühe konnte er seine Ungeduld bezähmen, bis Moritz’ Mutter, die ihm die Tür geöffnet hatte, außer Hörweite war.

 

„Wir gehen auf Schatzsuche!“ verkündete er strahlend, sobald sie in Moritz’ Zimmer waren und Moritz die Tür zugemacht hatte. Mit einer Begrüßung hielt er sich gar nicht erst auf; gespannt wartete er auf Moritz‘ Reaktion.

 

Moritz, der noch an der Zimmertür stand, enttäuschte seinen besten Freund nicht und räumte mit dem Arm fast das Bücherregal ab, als er herumfuhr. „Was? Wie jetzt?“ Ulkige Geschichten war er von Adrian ja gewöhnt, der grub in den zahllosen Büchern, die er las, immer wieder mal irgendwelche Kuriositäten aus, aber das überforderte ihn jetzt doch. Für einen Moment glaubte er, das mit der Schatzsuche müsste ein Witz sein, aber ein Blick in Adrians Gesicht zeigte ihm, dass der es ernst meinte: Er wollte auf Schatzsuche gehen!

 

 „Spinnst du?“ fragte er entgeistert. „Wo soll’s denn hier einen Schatz geben? Jetzt sag nicht, du meinst den ollen Jost! Das sind doch alles Legenden.“ „Quatsch!“ erwiderte Adrian fast empört. Dass die Geschichten um den Raubritter von der hoch über der Ruhr gelegenen Burg Blankenstein nur eine Sage waren, war ihm auch klar. Einen wahren Kern mochte die Mär zwar haben, aber den in der Ruhr versunkenen Schatz, der darin vorkam, hatte es entweder nie gegeben, oder er war völlig unerreichbar für einen Hobbyarchäologen.

 

„Es geht um einen Schatz aus dem Krieg.“ erklärte Adrian. „Schmuck, Münzen, vielleicht ungeschliffene Diamanten, so genau wusste Opa das nicht.“ „Er hat dir davon erzählt?“ vergewisserte sich Moritz, und Adrian nickte. „Eigentlich mehr den Kurzen.“ erklärte er. „Die hatten Langeweile, da hat Opa ihnen ein paar Geschichten erzählt.“ „Und du glaubst, er hat sich das nicht nur ausgedacht?“ forschte Moritz nach. „Bestimmt nicht.“ versicherte Adrian. „Wenn er sich was aus den Fingern gesaugt hätte für die Kurzen, dann hätte er bestimmt nichts vom Krieg erzählt.“ Das leuchtete Moritz ein, denn er wusste, wie viel jünger als Adrian die Cousins und Cousinen waren. Auch dass Adrian bei den meisten Geschichten die Ohren auf Durchzug gestellt hatte, weil sie für ihn langweilig gewesen war, konnte er nachvollziehen, aber bei dieser einen hatte es sich offensichtlich gelohnt, die Ohren zu spitzen.

 

Hauptfigur der Ereignisse, die ihren Anfang im Jahre 1920, also vor fast hundert Jahren, genommen hatten, war ein junger Franzose gewesen, der Sohn eines reichen Textilfabrikanten, der sich in Hattingen angesiedelt hatte, um eine Niederlassung der elterlichen Firma aufzumachen. Weil jeder Mensch etwas zum Anziehen brauchte, und weil der junge Unternehmer es verstanden hatte, gute Kleidung zu einem bezahlbaren Preis anzubieten, hatten sich die Geschäfte gelohnt.

 

Doch dann hatten sich die Verhältnisse in Deutschland grundlegend geändert, und kurz bevor der Krieg ausgebrochen war, war der junge Franzose, der in der Zwischenzeit auch eine Familie gegründet hatte, mit Frau und Kindern in seine Heimat geflohen.

 

Die Hintergründe hatte Adrians Großvater natürlich nur so weit angerissen wie unbedingt nötig, denn für Geschichten über den Krieg waren Adrians Cousins und Cousinen wirklich noch zu klein, und spannend war für sie in erster Linie der Schatz gewesen. Aber Adrian hatte am Abend noch ein wenig recherchiert und zumindest den Beweis gefunden, dass es den jungen Franzosen tatsächlich gegeben hatte. Jacques Russel hatte der Fabrikantensohn geheißen, geboren um 1898, 1920 aus Frankreich nach Hattingen gekommen und Ende 1939 aus Deutschland geflohen. Was danach aus ihm geworden war, ob er den Krieg überlebt hatte, hatte Adrian nicht herausfinden können, aber in Deutschland war er mit ziemlicher Sicherheit nie wieder gewesen.

 

„Und der Schatz?“ wollte Moritz wissen. Allmählich begann ihn die Sache zu interessieren, obwohl er sich immer noch nicht in Gold und Juwelen baden sah. „Wartet immer noch darauf, gefunden zu werden.“ antwortete Adrian trocken. „Zumindest hab ich keinen Hinweis gefunden, dass er entdeckt worden wäre. Russel konnte nur das Nötigste mitnehmen. Opa sagt, er hatte Angst, dass die Nazis ihm alles Wertvolle abnehmen würden, deshalb hätte er den Schmuck von seiner Frau und seine Münzsammlung lieber versteckt, um sie später zu holen. Vielleicht waren auch ungeschliffene Diamanten dabei, Opa meint, die könnte Russel aber auch mitgenommen haben, weil man sie leicht schmuggeln und überall zu Geld machen kann.“

 

„Aber er ist nie zurückgekommen, um die Sachen zu holen?“ bohrte Moritz nach. Adrian zuckte mit den Schultern. „Wie gesagt, gefunden hab ich nichts. Die Fabrik ist auf jeden Fall ausgebombt worden, bei einem Luftangriff, der wohl eigentlich die Henrichshütte treffen sollte. Sie wurde dann nach dem Krieg abgerissen.“ „Weißt du, wo sie war?“ Adrian nickte. „Schon. Aber da brauchen wir gar nicht erst anzufangen. Erstens ist von der Fabrik wirklich nichts mehr da, und wenn der Schatz da versteckt gewesen wäre, dann wäre er spätestens beim Abriss komplett zerstört worden, und zweitens hat Russel seinen Schatz ganz woanders versteckt.“

„Und wo?“ bohrte Moritz nach, weil Adrian eine Pause machte, um die Spannung zu erhöhen. Adrian grinste, denn an welches mögliche Versteck der beste Freund auch immer dachte, das richtige erriet er ganz bestimmt nicht. „Im Schulenbergtunnel.“