Der neue Star

Cover des Buches Der neue Star
Cover des Buches Der neue Star
Juli 2014
60
978-3735758798

Für die zwölfjährige Hanna erfüllt sich ein Traum, als sie in einem großen Kinofilm die Hauptrolle spielen darf, und ihr Co-Star Tobias entpuppt sich als die denkbar beste Besetzung für die Rolle des Jungen, in den Hannas Figur sich verliebt. Doch als der Film in die Kinos kommt und nicht nur Hannas Freunde glauben, dass die beiden Hauptdarsteller auch hinter der Kamera ein Liebespaar geworden sind, beginnt für Hanna ein grenzenloses Gefühlschaos...

Der neue Star ist das erste Buch, das ich über den Handel verfügbar gemacht habe. Vieles war dabei noch ungewohnt, und ich musste Lehrgeld zahlen, aber bereut habe ich den Versuch nie.

E-Book €1,99
Taschenbuch €3,90

 

Autorenplauderei

Die erste Idee zu dieser Ge­schich­te stammt schon aus dem Jahre 2008. Damals lag der Geda­nke, die Ge­schich­te tat­säch­lich in den Buch­handel zu bringen, noch in weiter Ferne. Dass die wenigs­ten Verlage unter einem Mangel an Auto­ren leiden, die ihre Bücher bei ihnen unter­bringen wollen, war mir klar, von den Mög­lich­keiten des Self­publi­shings wusste ich hin­gegen noch nichts. Als ich zum ersten Mal davon las, schien Der neue Star dann genau die richtige Grund­lage, um mit einem über­schau­baren Projekt einen Ver­such zu starten. Ich habe einiges an Lehr­geld gezahlt, nicht in dem Sinne, dass ich viel Geld für die Ver­öffent­lichung aus­ge­geben hätte, das hinter­her nicht wieder herein­kam, wohl aber, dass ich im Nach­hinein et­liche Dinge gefun­den habe, die ich besser hätte machen können. Ich kannte die Quellen noch nicht, von denen ich heute kosten­los oder für wenige Euro Fotos für die Cover be­ziehe, und habe mich aus Kosten­gründen für eine zu geringe Auf­lösung ent­schie­den, bei der Forma­tierung habe ich genauso dazu­gelernt wie bei der Be­seiti­gung von Recht­schreib­fehlern und un­schö­nen Formu­lierun­gen. Diese Web­site gab es noch nicht, ich war anfangs gerade mal in einem Bücher­forum ver­treten, also quasi un­sicht­bar.

Aber auch wenn der Anfang zäh war, ich bin froh, es gewagt zu haben. Es gibt so viele Dinge, die ich als Autor aus­pro­bieren kann, und auch wenn nicht alles so klappt, wie ich es mir vorher vor­ge­stellt habe, habe ich ein­fach richtig viel Spaß daran, Ge­schich­ten zu schreiben und zu präsen­tieren.

Gegenwart, erste Septemberwoche:
Tolles Wetter mal wieder! dachte Hanna, als sie auf den Bürgersteig trat. Dicke Wolken hingen über der Stadt und sperrten jeden Sonnenstrahl aus, eine steife Brise trieb feinen Nieselregen durch die Straßen. Hanna fröstelte, obwohl es so kalt eigentlich nun auch wieder nicht war und sie extra ihren winddichten Anorak angezogen hatte. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie noch nicht richtig ausgeschlafen war, denn übermüdet fror man ja leichter.
Die beste Voraussetzung für den ersten Schultag nach den Sommer­ferien waren wenig mehr als fünfeinhalb Stunden Schlaf bestimmt nicht, noch dazu, wenn alle Klassenkameraden schon seit einer Woche wieder die Schulbank drückten. Hanna war beurlaubt gewesen, und während sie gerade so schnell Richtung Bushaltestelle schlurf­te, dass sie keine Gefahr lief, den Schüler­einsatz­wagen zu verpassen, dachte sie kurz daran, dass es vielleicht besser gewesen wäre, sich auch für diesen Montag noch vom Unterricht befreien zu lassen. Auf der anderen Seite hätte sie dann aber auch den Stoff für einen weiteren Tag nachholen müssen, und deshalb hatte sie sich entschieden, sich von ihren Eltern keine Entschuldigung schreiben zu lassen, obwohl sie bis zum Vortag noch in Berlin gewesen und erst um kurz nach Mitternacht wieder zu Hause angekommen war. Irgendwie würde sie es schon schaffen, nicht sang- und klanglos einzuschlafen, und eine innere Stimme sagte ihr, dass ihr heute keiner der Lehrer ihre Müdigkeit übel nehmen würde. Die Lehrer kannten den Grund ihrer Abwesenheit in der Vorwoche, und Herr Kröger, bei dem Hanna schon seit der fünften Klasse Deutsch hatte, hatte vor den Ferien schon was verlauten lassen, dass er die heutige Doppelstunde aus gegebenem Anlass einem Exkurs zum Thema ‚Medium Film‘ widmen würde.

Knapp zehn Monate früher, Montag der zweiten Adventswoche:
Hanna saß im Schneidersitz auf ihrem Bett, ihren Laptop auf dem Schoß, und surfte auf der Webseite ihrer Lieblingsjugendzeitschrift herum. Die gedruckte Ausgabe kaufte sie sich nur selten, denn jede Woche einen Euro und sechzig Cent dafür auszugeben, war ihr einfach zu teuer, aber die Onlineversion schaute sie sich regelmäßig an. Reihenfolge und Schwerpunkte der Themen, die sie las, waren immer wieder unterschiedlich, ob sie sich mehr auf Musik, Kino, Buch­besprechun­gen oder die Aufklärungsecke konzentrierte, hing ab von ihrer Stimmung, Fragen, die für sie selbst gerade aktuell waren, und dem, was auf dem Schulhof und im Freundeskreis momentan im Gespräch war.
An diesem Tag sprang sie bereits auf der Startseite eine balkendicke Schlagzeile an: ‚Dar­steller gesucht‘. Hanna dachte spontan an die Fotoromane, die ebenfalls regelmäßig Bestandteil der Zeitschrift waren, und klickte neugierig auf den Link. Für sie selbst kam das zwar nicht in Frage, denn davon ab, dass sich die Geschichten immer um Jugendliche und junge Erwachsene drehten, sie also – gerade erst zwölf geworden – noch mehrere Jahre zu jung dafür war, konnte sie sich unter keinen Umständen vorstellen, in Unterwäsche für Fotos zu posieren, die sich jeder Junge in ihrer Klasse anschauen konnte, aber es interessierte sie, ob man bestimmte Voraus­setzungen mitbringen musste, wenn man sich als Darsteller bewerben wollte.
Als die Seite sich aufgebaut hatte, was wegen der vielen grafischen Elemente trotz der eigentlich recht schnellen Internetverbindung ein paar Sekunden dauerte, erkannte Hanna ihren Irrtum. Es ging nicht um frische Gesichter für die Foto­romane, und die Zeitschrift hatte mit dem Aufruf als solchem überhaupt nichts zu tun; vielmehr bediente sich die Filmgesellschaft MBZ-Films des weithin bekann­ten Mediums, um mit der Ein­ladung zum Casting für einen neuen Kinder­film möglichst viele Kinder und Jugendliche zu erreichen.
MBZ beabsichtigte, das Buch ‚Das Geheimnis der Spukvilla‘ zu verfilmen, und veranstaltete in verschiedenen Städten in ganz Deutschland Casting­termine. Eine bekannte Jungschau­spieler­in, die jetzt etwas über zwanzig und seit ihrem achten Lebensjahr regelmäßig in Kino und Fernsehen zu sehen war, war in diesem Zusammenhang interviewt worden und erklärte, dass es solche Gelegenheiten, einfach so ins Film­geschäft hineinzuschnuppern, nicht sehr oft gab. Bei den meisten Projekten wurde eine Casting­agentur beauftragt, die dann in der eigenen Kartei nach geeigneten Kandidaten suchte und unter Umständen ihrerseits andere Agenturen anschrieb und aufforderte, den Castingaufruf an Jungen und Mädchen zu verteilen, die bei ihnen unter Vertrag standen und den Anforderungen entsprachen.
Hannas Herz begann schneller zu schlagen. Mit­spielen in einem Kinofilm, ja, das würde sie wirklich gern einmal machen, und wenn sich tatsächlich jeder bewerben durfte, warum sollte sie es dann nicht versuchen? Schauspielen konnte sie, das hatte sie im Schultheater schon unter Beweis gestellt, und wenn es nicht reichte, dann schadete es doch auch nichts. Zumindest redete sie sich das ein, aber insgeheim träumte sie natürlich von der Hauptrolle.
Gesucht wurden je ein Junge und ein Mädchen zwischen elf und dreizehn Jahren für die Haupt­rollen und diverse Kinder und Jugendliche für größere und kleinere Nebenrollen im Alter von sechs bis sechzehn Jahren. Besondere Bedingun­gen, die die Bewerber erfüllen mussten, waren nicht angegeben, zumindest keine, von denen Hanna befürchtete, sie nicht erfüllen zu können. Fließendes Deutsch, Spaß am Schauspielern, Aus­dauer, Zeit in den Sommer­ferien und einen Elternteil oder sonst einen vertrauten Erwachse­nen, der sie während der Dreharbeiten begleitete, mehr verlangte MBZ für den Anfang nicht. Das sollte sich doch wohl einrichten lassen!
Doch der erste Blick auf die Liste mit den Casting­terminen ließ Hannas Mut schon wieder sinken. Berlin, Hamburg, Hannover, Erfurt, München, Stuttgart, Frankfurt – verflixt, gab es denn nichts in ihrer Nähe? Köln tauchte ganz unten noch auf, schon besser, aber immer noch zu weit weg, über eine Stunde mit dem Auto. So viel Fahrerei würden ihre Eltern sich dafür nicht antun, da brauchte Hanna gar nicht erst zu fragen, und mit dem Zug würden sie sie so weit auch nicht fahren lassen. Blöd, dass es keinen Termin in der Nähe gab, aber da konnte man dann wohl nichts machen.
Enttäuscht wollte sie die Seite schließen, und fast hätte sie dabei übersehen, dass, nachdem sie den Text zu lesen begonnen hatte, noch Bilder geladen worden waren und der Kasten mit den Casting­terminen sich nach unten verschoben hatte, bis der unterste Teil aus dem Anzeige­bereich verschwunden war. Ein Eintrag wurde am Ende der Liste noch sichtbar, als Hanna nach unten scrollte: Dortmund! Erleichtert seufzte sie auf, denn das war sozusagen gleich um die Ecke, da würde sie ihre Eltern schon eher überreden können, sie hinzufahren, und wenn nicht, dann würde sie vielleicht wenigstens mit Bus und Bahn dorthin fahren dürfen.
Weil sie aus Erfahrung wusste, dass sie ihre Eltern umso leichter überzeugen würde, ihr die Fahrt zum Casting zu erlauben, je besser sie selbst informiert war, widerstand sie der Versuch­ung, sofort zu ihrer Mutter in die Küche zu stürmen, und suchte stattdessen die Adresse auf dem digitalen Stadtplan heraus. Das Casting sollte in einem Hotel stattfinden, die genaue Anschrift war angegeben, und Hanna ließ sich von der elektronischen Fahrplanauskunft gleich eine entsprechende Verbindung für Hin- und Rückfahrt ausgeben. Dass sie vom Dortmunder Hauptbahnhof aus nur ein paar Stationen mit der U-Bahn würde fahren müssen, um zur ange­gebenen Adresse zu gelangen, und insgesamt kaum mehr als eine halbe Stunde unterwegs sein würde, war ein Pluspunkt und würde ihren Eltern die Entscheidung, sie allein zum Casting fahren zu lassen, wenn sie nicht mitkommen konnten oder wollten, hoffentlich erleichtern.
Den Laptop in der Hand, alle betroffenen Web­seiten geöffnet, lief sie in die Küche, wo ihre Eltern sich zusammengesetzt hatten, um rasch eine Tasse Kaffee zu trinken. Aufgeregt stellte sie den Laptop auf den Tisch, zeigte ihren Eltern den Castingaufruf und fasste den Inhalt der Seite in wenigen Sätzen zusammen, weil sie nicht die Geduld hatte, zu warten, bis Mutter und Vater selbst alles gelesen hatten. „Darf ich da hin?“ schloss sie. „Bitte!“
Die Begeisterung ihrer Eltern hielt sich arg in Grenzen. „Ich glaube nicht, dass sich der Aufwand lohnt.“ sagte Hannas Mutter skeptisch. „Das läuft doch alles über Agenturen, und so ohne jede Erfahrung hast du da keine Chance. Mit ganz viel Glück darfst du als Statistin mal kurz im Hintergrund durchs Bild laufen.“ „Im Schultheater hab ich doch auch schon die Hauptrolle gespielt.“ hielt Hanna dagegen. Schon in der vierten Klasse war sie bei der Aufführung zum Ende des Schuljahres als Schneewittchen besetzt worden, und auch in der Theater-AG am Gymnasium gehörte sie zu denen, die bevorzugt die größeren Rollen bekamen. „Außerdem wür­den die doch bestimmt nicht überall Castings veranstalten, wenn sie lieber welche von einer Schauspielagentur haben wollten.“ „Gut“, meinte ihr Vater, nach wie vor genauso wenig überzeugt wie seine Frau, „nehmen wir mal an, du kriegst eine Rolle – wie geht’s dann weiter? So ein Kinofilm wird nicht mal eben in zwei oder drei Tagen abgedreht, wie soll das mit der Schule klappen?“ „Deshalb drehen sie doch in den Sommerferien!“ erinnerte Hanna ihn. Außerdem war sie eine gute Schülerin, und wenn sie tatsächlich ein paar Tage in der Schule fehlte, dann würde sie das eben nacharbeiten, aber dieses Argument führte sie an dieser Stelle lieber nicht ins Feld.
Ihre Eltern ließen sich das durch den Kopf gehen und verständigten sich mit Blicken. „Also gut!“ entschied Hannas Mutter schließlich. „Du darfst zum Casting gehen.“ Sie sah das Leuchten in Hannas haselnussbraunen Augen und machte mit beiden Händen eine dämpfende Geste. „Aber nur, wenn du mir versprichst, dass du dir keine Riesenhoffnungen machst und dann total am Boden zerstört bist, wenn es nichts wird. Ich denke nämlich immer noch, dass die bei so einem großen Film Kinder vorziehen, die schon Erfahrung haben. Da stecken schließlich auch enorme Kosten hinter, das Risiko, viel Geld zu verlieren, weil die Darsteller nicht gut genug sind, ist viel zu groß.“
Hanna sah das anders und wollte sich nicht von der Schwarz­seherei ihrer Eltern anstecken lassen. Sie umarmte ihre Mutter zum Dank dafür, dass sie ihr erlaubte, beim Casting mitzumachen, und versprach ihrem Vater, auf keinen Fall irgend­etwas zu unter­schreiben, ohne vorher er­neut um Erlaubnis zu fragen, falls sie wider Erwarten doch für eine kleine Rolle in Betracht kam.
Mit dem Laptop in der Hand lief sie ins Wohn­zimmer, wo ihre Eltern sich einen kleinen PC-Arbeitsplatz eingerichtet hatten, und wo auch der einzige Drucker stand, den es in diesem Haushalt gab. Rasch stöpselte sie das Datenkabel des Druckers vom PC der Eltern zu ihrem Laptop um, schaltete ihn ein und druckte das Anmelde­formular aus, das jeder Bewerber zum Casting mitbringen sollte und das direkt von der Webseite mit dem Castingaufruf heruntergeladen werden konnte.
Nachdem sie das Druckerkabel wieder zurück­gesteckt hatte, kehrte sie in ihr Zimmer zurück und füllte das Formular aus. Um eine saubere Handschrift bemüht, trug sie ihren Namen, ihr Geburts­datum, und ein paar Angaben zu ihrem Äußeren und zu ihren schauspielerischen Erfah­rungen ein und ließ das Ganze dann von ihren Eltern unterschreiben. Danach fuhr sie mit dem Bus zum Bahnhof, wo es einen Fotoautomaten gab, denn nach einem geeigneten Foto für die Bewerbung hatte sie vergeblich gesucht. Ein mit der Digitalkamera aufgenommenes Bild wollte sie nicht ausdrucken, weil der nicht gerade hoch­wertige Drucker die Qualität nicht hergab, die sie für nötig hielt, und die Passfotos, die vor dem letzten Urlaub für ihren neuen Personalausweis gemacht worden waren, kamen nicht in Frage; mit der verkniffenen Gangstermiene, die sie da zur Schau hatte stellen müssen, damit ihr Gesicht computerlesbar war, konnte sie bei der Bewer­bung um eine Filmrolle bestimmt nicht punkten. Wieder zu Hause, wählte sie aus dem Vierer­streifen, den sie für zwei Euro bekommen hatte, das am besten gelungene Foto aus und klebte es an der vorgesehenen Stelle aufs Formular. Das Formular verwahrte sie an­schließend in ihrem Schreibtisch, damit es nicht wegkam, verschmutzt oder beschädigt wurde.

Etwa ein Monat später, erster Samstag nach den Weihnachtsferien:
Hanna wachte auf, lange bevor der Wecker klingelte, und wusste schon beim ersten Blinzeln, dass heute der große Tag war: Das Casting! Mit einem Satz war sie aus dem Bett, schaltete den Wecker ab und lief ins Bad.
So schnell und so sorgfältig zugleich hatte sie sich wohl noch nie fertig gemacht. Sie seifte sich unter der Dusche doppelt so gründlich ab wie sonst und bürstete ihre langen, braunen Haare viel intensiver durch als üblich, war aber doppelt so schnell wieder aus dem Bad raus wie an einem Tag, an dem sie verschlafen hatte und sich beeilen musste, damit sie den Bus nicht verpasste.
Ihre Kleidung hatte sie bereits am Vorabend bereitgelegt und jedes einzelne Teil von der Jacke bis zur Unterhose sorgfältig ausgewählt. Auf gar keinen Fall wollte sie zu lässig, gar nachlässig, daher­kommen, denn dann war sie wahrscheinlich schon durchgefallen, bevor sie das erste Wort gesprochen hatte, aber auch das Gegenteil schien ihr nicht unbedingt ratsam. Ganz davon ab­gesehen, dass sie sich unter einer dicken Schicht Schminke nicht wohlgefühlt hätte, hatte auch die wegen des Castingaufrufs befragte Schauspielerin dazu geraten, natürlich zu bleiben und sich auf keinen Fall über die Maßen aufzubrezeln. Am Ende hatte Hanna sich für Bluejeans und ein gelbes Sweatshirt entschieden, das einen leb­haften Kontrast sowohl zur Hose, als auch zu ihren dunklen Haaren bilden würde. Dazu kamen die guten Turnschuhe und – wegen der Kälte – die dunkelblaue Daunenjacke. Alles in allem eine Kombination, die Hanna so oder ähnlich auch in Schule und Freizeit trug, man konnte also in der Hinsicht wohl von Natürlichkeit sprechen.
Das Frühstück hätte Hanna glatt wegrationali­siert, obwohl sie mehr als genug Zeit hatte, ehe sie losziehen musste, doch ihre Mutter bestand darauf, dass sie etwas aß und auch einen Ruck­sack mit zwei Schnitten Brot, einem Apfel und einer Flasche Wasser mitnahm. „Du wirst nicht die einzige sein, die sich da bewirbt.“ argumen­tier­te sie gnadenlos realistisch. „Vielleicht kommst du erst heute Nachmittag an die Reihe, und du schneidest bestimmt nicht besser ab, wenn dir beim Vorsprechen der Magen in die Kniekehlen hängt.“
Warum mussten Mütter bloß immer so fürchter­lich vernünftig sein? Hanna fügte sich, weil sie wusste, dass ihre Mutter nicht nachgeben würde, und sich auch eingestehen musste, dass an den Argumenten was dran war. Auch wenn sie sich – logisch, welches Mädchen an ihrer Stelle hätte das nicht? – schon in der Hauptrolle sah und sich möglichst wenig Konkurrenz wünschte, sagte ihr der Verstand, dass bestimmt riesiger Andrang herrschen würde. Welches Kind, das vom Alter her in Frage kam, würde sich so eine Chance entgehen lassen?