Einladung von Unbekannt

Cover des Buches Einladung von Unbekannt
11. Mai 2024
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978-3756576937

Die Party zu Virginias Geburtstag ist nicht irgendwie besonders, aber trotzdem schön: ein fröhliches Zusammensein mit Freundinnen und Freunden im Garten. Virginia hat auch nicht den Eindruck, dass sie zu laut sind oder sonst etwas aus dem Ruder läuft, umso überraschter ist sie über den Streifenwagen, der plötzlich vor dem Gartentor steht. Sie weiß nicht, dass dahinter ein ausgeklügelter Plan steckt, aber die Folgen bekommt sie bald zu spüren …

 

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„Du musst deine Party wann anders machen!“ Virginia stutzte und schaute den Jungen, der sie gleich zu Beginn der großen Pause unsanft an die Seite genommen hatte, unwillig an. Laurenz ging in ihre Parallelklasse, man kannte sich durch gemeinsame Kurse, aber deshalb ging ihre Geburtstagsparty ihn trotzdem nichts an. „Wer sagt das?“, gab sie kühl zurück. „Ich“, antwortete Laurenz, offensichtlich ziemlich geladen. „Samstag feiere ich.“ „Und?“, wollte Virginia wissen. „Kannst du doch!“ „Mir haben schon zwei abgesagt, die ich eingeladen hab, weil sie schon zu deiner Party gehen“, beschwerte Laurenz sich. „Du musst deine Party verschieben!“ „Wenn sie dir abgesagt haben, weil sie mir schon zugesagt haben, dann heißt das doch wohl, dass ich mit den Einladungen früher dran war als du“, versetzte Virginia. „Dein Problem, wenn du zu lange wartest. Verschieb du doch deine Party!“ „Ich hatte vor dir Geburtstag“, sagte Laurenz. „Also darf ich auch zuerst feiern.“

 

Virginia schüttelte den Kopf. „Das ist doch Quatsch!“, wies sie die Argumentation zurück. „Jeder darf seine Geburtstagsparty so legen, wie es ihm passt, und meine steigt am Samstag, Punkt.“ Damit ließ sie Laurenz stehen – das wäre ja noch schöner, wenn sie sich von ihm vorschreiben ließ, wann sie ihren Geburtstag feiern durfte!

 

***

 

Virginias Party ließ sich gut an. Es war die erste richtige Party, die sie gab, im letzten Jahr zu ihrem dreizehnten Geburtstag war es irgendwie so ein Zwischending gewesen: kein Kindergeburtstag mehr, aber auch noch keine echte Party.

 

Sie hatte nicht versucht, irgendetwas Bombastisches auf die Beine zu stellen. Es ging einfach darum, mit Leuten zusammen zu sein, die man mochte, und mit ihnen Spaß zu haben. Ihre Eltern besaßen einen Garten am Rand des Stadtteils, in dem sie wohnten, Teil eines kleinen Streifens zwischen Feldern und einem bewaldeten Hang, der parzellenweise verpachtet wurde, weil er sonst nicht wirtschaftlich genutzt werden konnte. Dorthin hatte Virginia ein Dutzend Freunde und Freundinnen eingeladen, aus ihrer Klasse, aus dem Badmintonverein und aus der Nachbarschaft. Die meisten kannte sie schon seit etlichen Jahren, nur Perdita war erst während des letzten Schuljahres hergezogen und seitdem in ihrer Klasse.

 

Für das leibliche Wohl war natürlich gesorgt. Zusammen mit ihrer besten Freundin Jessy hatte Virginia mehrere Bleche Pizza gebacken, verschiedene Sorten, sodass für jeden etwas dabei war. Ihre Mutter hatte außerdem morgens schon Streusel- und Apfelkuchen gebacken, der, in kleine Stücke geschnitten, perfekt zum Knabbern zwischendurch war. Virginias Vater hatte alles eine Stunde vor der Party mit dem Auto zum Garten gebracht, auch die Getränke. Es gab Wasser, Cola und Limo, aber keinen Alkohol, weil die Gäste alle erst zwischen dreizehn und fünfzehn waren.

 

Für eine ausgelassene Stimmung brauchte es den auch nicht. Es wurde gequatscht, viel gelacht, natürlich auch kräftig gefuttert. Vor der kleinen Holzhütte wurde getanzt zu Musik, die aus dem Ersatzhandy von Virginias Eltern kam, das Virginia extra dafür mitgebracht hatte. Sie hatte eine lange, bunt gemischte Playlist zusammengestellt, musikalische Langeweile würde nicht aufkommen.

 

***

 

Bei aller guten Laune verhielten die Jugendlichen sich gesittet. Völlig leise war es natürlich nicht, aber auch nicht zu laut. Außerdem war der Garten weit genug weg von den nächsten Häusern, dort konnte sich nach menschlichem Ermessen niemand gestört fühlen. Die benachbarten Gärten waren verwaist.

 

So maß Virginia auch dem Streifenwagen keine Bedeutung bei, der um kurz nach acht in die Straße einbog. Eigentlich nahm sie nur Notiz von ihm, weil hier selten Autos durchfuhren. Die Straße war gesperrt, außer für Anlieger, und die Leute hielten sich dran, weil sie nichts davon hatten, das Durchfahrtsverbot zu missachten. Es gab nichts, wohin man auf erlaubten Wegen nicht genauso schnell gekommen wäre, und zusätzlich schreckte der schlechte Zustand der Fahrbahn ab.

 

Umso überraschter war Virginia, als der Streifenwagen vor dem Garten an den Straßenrand fuhr und anhielt. Mit zwei Reifen stand er auf dem schmalen Streifen struppiger Wiese, der dem Garten gegenüber die Straße von den Feldern trennte. Der Fahrer wollte offensichtlich vermeiden, die enge Straße gänzlich zu blockieren, tat damit aber seiner Kollegin keinen Gefallen. Die musste hübsch vorsichtig sein, als sie auf der Beifahrerseite ausstieg, damit sie nicht im Acker landete.

 

Sie kam um die Motorhaube herum und näherte sich dann zusammen mit ihrem Dienstpartner dem Gartentor. Unterwegs setzten sie die Dienstmützen auf.

 

Virginia schluckte. Hatten sie auf der Party irgendwas gemacht, was nicht in Ordnung war? Oder in den letzten Tagen? Ihr fiel nichts ein, trotzdem pochte ihr Herz bis hoch in den Hals, als sie den Uniformierten entgegenging.

 

Denen entging wiederum nicht, dass sie bemerkt worden waren, und sie zogen die richtigen Schlüsse. „Hallo“, grüßten sie. „Bist du die Gastgeberin hier?“, erkundigte sich die Beifahrerin. Virginia nickte und nannte auf die Frage der Polizistin hin auch ihren Namen. „Haben wir irgendwas gemacht?“, fragte sie direkt. Vielleicht war das unklug, aber sie hatte nicht die Ruhe, abzuwarten, was die beiden von ihr wollten, falls es überhaupt um sie ging.